Muss ich die Pointe erklären?

oder: Wenn Künstler sich selbst interpretieren sollen

 

Neulich, bei einer Vernissage, bat die Bürgermeisterin und Laudatorin nach ihrer Begrüßungsrede die Künstlerin, doch ein paar Worte selbst zu ihren Bildern zu sagen.  Nachdem diese sich artig und gerührt für die lobenden Worte bedankt hatte, wehrte sie dieses Ansinnen ab und erklärte, die Bilder müssten für sich selbst sprechen und eigenen Empfindungen der Besucher beim Betrachten überlassen sein.  Das wars dann von ihrere Seite.

 

Sympathisches Nein-sagen

Wie überaus sympathisch! Endlich hat eine Künstlerin das Selbstbewusstsein, nicht mit vielleicht unbeholfenen Worten ihre Kunst zu interpretieren! Die soll ja im Auge des Betrachters liegen. Und sie ist nun mal bildende Künstlerin und keine Schriftstellerin.

Apropos Schriftsteller: Umgehauen hat mich wirklich mal die Frage eines meiner Chefs, als er eine von mir veröffentlichte zweideutige Glosse in Cosmopolitan in die Hände bekam und die Pointe von mir erklärt haben wollte. Da ist mir wirklich nichts mehr eingefallen. Hatte ich es so schlecht hinbekommen oder war er so prüde?

So oder ähnlich geht es nämlich auch Autoren, wenn sie selbst gebeten werden, das, was sie niederschrieben, mit anderen Worten auch noch zu erklären. Das wird oft peinlich. Ich selbst lehne das kategorisch ab: Wenn ich es anders erklären sollte, dann hätte ich es gleich in dieser Variation schreiben können, oder?

 

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