Bin ich eine Landromantikerin? Oder eine Landkonsumentin?

Ich liebe es ja, meinen Büchern Widmungen, Danksagungen und Losungen oder Mottos voran- oder hintanzustellen. Bei "Was macht die Kuh im Swimmingpool? - Freud´und Leid des Landlebens" war es letzteres mit den beiden Aussagen von Benedikt Loderer, nämlich:

"Es gab also das Dorf als Tatsache, als Siedlung und sozialen Verband, und das Dorf als Sehnsuchtsgebilde, als Mythos".  Und: "Das Dorf ist tot, doch es lebt weiter, denn es ist eine Geisteshaltung, keine Siedlungsform."

 

Diese beiden Zitate holte ich mir aus seinem Artikel "Das Dorf in unseren Köpfen" aus dem Zürcher Tagesanzeiger vom 15.02.2011. Dazu muss man wissen, dass Benedikt Loderer ein bekannter Schweizer Architekt ist, lange Zeit Chefredakteur der Architekturzeitschrift "Hochparterre", in der Schweiz aber vor allem jetzt auch bekannt als der "Stadtwanderer". Als dieser hat er in faszinierenden Reportagen den Zustand der Schweiz beschrieben, der nach seinen harten Analysen in Zersiedelung, Alpenwahn und ideologischer Landschwärmerei mündet, nicht zuletzt unter dem Prinzip des Reicherwerdenwollens. 

Die Antwort des Stadtwanderers


Ich sandte Benedikt Loderer also mein Büchlein als Beleg. Und erhielt zurück sein 153-Seiten-Büchlein mit dem Titel "Die Landesverteidigung - Eine Beschreibung des Schweizerzustands", das die Quintessenz seiner Reportagen  beinhaltet. Ein irres, wunderbares Buch, das ich später noch an anderer Stelle ausführlich rezensieren werde. Allein die ersten Sätze reissen einen in seinen Bann: "Nicht altersmilde bin ich, sondern voller Alterswut. Sie ist die gesündeste, da sie auf Erfahrung gründet. Die Schweiz ist ordentlich, aber nicht in Ordnung. Mein Stichwort heisst Zersiedelung."

Das Buch versah er mit einer persönlichen Widmung für mich:

"Für Gabriele Hefele mit dem gebührenden Respekt. Bedenke, oh Mensch, dass du Konsument bis und konsumiert zurück bleiben wirst."

 

Dabei lag außerdem eine handgeschriebene Karte mit seinen Worten:

"Liebe Frau Hefele,

wir beide gehören definitiv nicht zur selben Sorte. Sie sind eine Landkonsumentin, ich ein Landesverteidiger. Der wahre Naturschützer ist der Stubenhocker, alle anderen beteiligen sich an der langsamen Zerstörung dessen, was sie lieben. Ich danke Ihnen für Ihr Buch und vergelte die gute Tat mit meinem. Ich hoffe, Sie lesen es mit Stockzahnlächeln und Zähnekirschen.

Mit Stadtwanderergrüßen

Benedikt Loderer

Lustvolle, streitbare E-mail-Auseinandersetzung


So ganz wollte ich das mit der Landkonsumentin ja nicht auf mir sitzen lassen: 

Lieber Stadtwanderer, lieber Herr Loderer,
 Sie haben zwar zum Teil recht, mich als "Landkonsumentin" zu bezeichnen, aber ich lasse das nur für unseren Neubau in einer allerdings Dorfbaulücke in Oberwarngau im Tegernseer Tal gelten. Bei unserer Finca mit über 200 Jahre alten Bauten bzw. Ruinen, die wir vorfanden und behutsam renovierten, gehöre ich nicht zu den Landzerstörern, sondern eher zu den Denkmalbewahrern.
 Ihnen kämen allerdings wie mir die Tränen, wenn Sie sähen, was die bekloppten und geldgierigen Spanier und ihre Banken mit ihren Küsten und den angrenzenden Hügeln angestellt haben im Immobilienboom der vergangenen Jahre. Das ist eine Landvernichtung, bei der allerdings die Spanier selbst meist nur die Schultern zucken und sagen: "Geh doch ins Hinterland, wenn Dir das nicht gefällt!".
Das ist natürlich der Unterschied zu einem kleinen Land wie der Schweiz, von der Fläche her: Spaniens Land ist so ab 10 km vom Strand weg meist noch so richtig in Ordnung. Und die Küste - das haben wir erst später lernen müssen -, ist den alten Einheimischen nichts wert. Da wohnten früher nur die armen Fischer und dort landeten die Piraten. Hingegen blüht und grünt es seit der Maurenbesiedelung eben oft im Hinterland.
Unser Bürgermeister hielt uns einmal vor: "Ihr habt in Deutschland Industrie als Einnahmequelle, in Almeria haben sie die Landwirtschaft- aber wir haben nur die Sonne und die Küste zum Verkaufen und die verkaufen wir jetzt!" (selbiger Bürgermeister wurde mit 700.000 Euro Bestechungsgeld erwischt und ins Gefängnis gesteckt, ist aber jetzt wieder frei).
Ich wollte mich nicht (nur) verteidigen, sondern freue mich sehr über den Kontakt mit Ihnen und hoffe, wir geraten auch weiterhin in eine fruchtbare Diskussion!
Herzliche Grüße
Gabriele Hefele


Muss ich noch extra erwähnen, wie herrlich es ist, wenn aus einem Belegversand so eine Reaktion und Diskussion entstehen kann?

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